Stichwort: Einheit in der Vielfalt

Autor: Markus Brunner

www.markus.li

07.01.2003

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Handschlag oder Hammerschlag




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NAVIGATION

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PREDIGTTEIL

UNTERPUNKT

BESCHREIBUNG

ANGABEN

Stichwortverzeichnis
Aufbau

predigttechnische Angaben

EINLEITUNG


Predigteinleitung

HAUPTTEIL

1. Ein Evangelium für verschiedenartige Gemeinden
2. Der Handschlag der Gemeinschaft: Eine Herausforderung ...

die eigentliche Predigt

SCHLUSS


Predigtschluss





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ANGABEN

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EINTRAG INS STICHWORTVERZEICHNIS

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Stichwort:

Einheit in der Vielfalt

Bibel:

Gal 2,7-10

Beschrieb:

Wie die ersten Christen (Judenchristen, Heidenchristen), so dürfen auch wir den christlichen Glauben kulturell verschieden ausleben, doch das Ergebnis muss immer Liebe sein. Die Verschiedenheit von uns Christen soll uns nicht trennen, sondern ergänzen, und ist wichtig für die Mission.

Datum:

5.1.2003

Ort:

FEG Basel

Anlass:

Allianz-Gottesdienst

Theologie:

Jüngerschaft

Aufgabe:

Predigt





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AUFBAU

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Methode

auslegende Predigt

Gegenstand

Einheit in Christus





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EINLEITUNG

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Lesung

Gal 2,7-10

Thema

Vielfalt von Denominationen als Chance und Herausforderung

Titel

Handschlag oder Hammerschlag

Vielfalt

Das Spektrum der christlichen Freikirchen und Kirchen ist sehr weit geworden und manches mag uns persönlich schlicht zu weit gehen. Das dürfen wir uns durchaus zugestehen.

schwindlig

Ein Gemeindebauberater sagte einmal zu mir, dass es ihm fast schwindlig werde, wenn er kurz hintereinander in verschiedenen Denominationen und Kirchen diene.
Da wollen sich die einen Christen mehr dem prophetischen Dienst widmen, während andere in Richtung psychologischer Seelsorgegruppen gehen.

in die Tiefe gehen

Ich denke, dass es gut ist, wenn es uns nicht schwindlig wird, sondern wenn wir uns auf den Ort und die Gemeinde konzentrieren, in die Gott uns gestellt hat. Ich persönlich finde es wichtig, dass wir vielleicht etwas weniger in die breite gehen, als vielmehr in die Tiefe der Erkenntnis Gottes1 (Eph 4,142).

Einheit in der Vielfalt

Trotzdem müssen und dürfen wir uns um die Einheit der Christen bemühen und wir brauchen einen konstruktiven Umgang mit dieser Vielfalt an verschiedenen Gemeinden.

Vielfalt als Segen

Ich will und kann dieses Thema nicht erschöpfend behandeln, aber heute will ich aufzeigen, dass die Vielfalt von christlichen Denominationen nicht nur Probleme und Herausforderungen mit sich bringen, sondern auch ein Segen sein können.

Kernaussage

Die Vielfalt von christlichen Denominationen verhindert nicht unsere Einheit, aber fordert uns heraus. Diese Vielfalt kann ein Segen sein.

Einleitungs-
satz

Im folgenden werden wir die Vielfalt der ersten Gemeinde Christi betrachten und feststellen, dass schon die Urchristen verschiedenartige Gemeinden kannten.






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HAUPTTEIL

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PUNKT 1

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1. Ein Evangelium für verschiedenartige Gemeinden


1.1 Ein Evangelium für verschiedene Kulturen

Gal 2,7

sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium für die Unbeschnittenen anvertraut war ebenso wie Petrus das für die Beschnittenen -
denn der, der in Petrus zum Apostelamt für die Beschnittenen wirksam war, war auch in mir für die Nationen wirksam -,

Gal 2,9c

damit wir unter die Nationen gingen, sie aber unter die Beschnittenen.

verschiedene Gemeinden

Die jüdisch, bzw. griechisch geprägten Gemeinden waren voneinander dermassen verschieden, dass wir heute wohl über ihre Unterschiedlichkeit staunen würden.

Juden-
christen

Die Judenchristen lebten weiterhin in der jüdischen Tradition, ohne aber diese als heilsnotwendig zu betrachten.

Apg 21,20

Sie aber, als sie es gehört hatten, verherrlichten Gott und sprachen zu ihm: Du siehst, Bruder, wie viele Tausende der Juden es gibt, die gläubig geworden sind, und alle sind Eiferer für das Gesetz.

Heiden-
christen

Die Heidenchristen ihrerseits brauchten sich nicht um die jüdischen Zeremonien zu kümmern. Sie mussten sich nicht beschneiden lassen und mussten keine jüdischen Feiertage einhalten. Sie wurden lediglich von den Aposteln aufgerufen, auf die Juden in ihrer Stadt Rücksicht zu nehmen und - zumindest in ihrer Gegenwart3 - kein Götzenopferfleisch zu essen.4

Apg 15,19-21

Deshalb urteile ich, man solle die, welche sich von den Nationen zu Gott bekehren, nicht beunruhigen, sondern ihnen schreiben, dass sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Unzucht und vom Erstickten und vom Blut. Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn predigen, da er an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen wird.

Apg 15,28-29

Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen, keine grössere Last auf euch zu legen als diese notwendigen Stücke: euch zu enthalten von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Unzucht. Wenn ihr euch davor bewahrt, so werdet ihr wohl tun. Lebt wohl!«

kein Kultur-
wechsel

So durften die Christen also in ihren jeweiligen Kulturen bleiben und mussten mit ihrer Bekehrung zu Gott nicht eine neue Kultur annehmen.

verschiedene Verpackungen

Es gibt nur ein Evangelium, aber es gibt verschiedene Verpackungen. Es gibt nur eine Gemeinde Gottes, aber es gibt verschiedene Zielgruppen. Und diese Zielgruppen brauchen oft eine jeweils andere Verpackung des Evangeliums.

Mission

So brachten die hebräischen Christen ihr Evangelium den Juden von Jerusalem auf eine ganz andere Art und Weise rüber als die Heidenchristen ihren Zeitgenossen in der hellenistischen Kultur.

Missionar Paulus

Bei Paulus sehen wir, dass er als Missionar bereit war, sich der "Zielkultur" anzupassen, um so möglichst effizient das Evangelium verkündigen zu können.

1 Kor 9,19-23

Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich immer mehr gewinne. Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne; denen, die unter Gesetz sind, wie einer unter Gesetz - obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin -, damit ich die, welche unter Gesetz sind, gewinne; denen, die ohne Gesetz sind, wie einer ohne Gesetz - obwohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern unter dem Gesetz Christi -, damit ich die, welche ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige errette.
Ich tue aber alles um des Evangeliums willen, um an ihm Anteil zu bekommen.

1 Kor 10,32-33; 11,1

Seid unanstössig, sowohl für Juden als auch für Griechen als auch für die Gemeinde Gottes; wie auch ich in allen Dingen allen zu gefallen strebe, dadurch dass ich nicht meinen Vorteil suche, sondern den der vielen, dass sie errettet werden. Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi Nachahmer bin!

heutige Situation

Was können wir nun von den ersten Christen für uns heute lernen? Wie sollen wir die fast unübersichtliche Vielzahl an Gemeinden interpretieren?

Ergänzung

Wir dürfen unsere heutigen Denominationen durchaus als verschiedene Verpackungen des Evangeliums ansehen. Aus diesem Blickwinkel sehen wir uns nicht als Konkurrenten, sondern als Ergänzungen! Wir erkennen, dass wir dasselbe Evangelium in verschiedenen Gottesdienst-Kulturen verkündigen.

Multi-
plikation

Verschiedene Gemeinden und Denominationen können zuweilen sogar dann ein Segen sein, wenn sie sich durch "unheilige" Umstände entstanden sind, nämlich z.B. durch eine Spaltung.
Dies zeigt uns das Beispiel von Paulus und Barnabas, die im Streit auseinandergingen. Dieser negative Umstand führte dazu, dass sie sich multiplizierten und zwei Missionsteams bildeten (Apg 15,37-40), was der Mission sicher dienlich gewesen ist.

Apg 15,37-40

Barnabas aber wollte auch Johannes mit dem Beinamen Markus mitnehmen. Paulus aber hielt es für richtig, den nicht mitzunehmen, der aus Pamphylien von ihnen gewichen und nicht mit ihnen gegangen war zu dem Werk. Es entstand nun eine Erbitterung, so dass sie sich voneinander trennten und Barnabas den Markus mitnahm und nach Cypern segelte. Paulus aber wählte sich Silas und zog aus, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen. Er durchzog aber Syrien und Cilicien und befestigte die Gemeinden.




1.2 Ein Evangelium der Kraft

Gal 2,8-9a

denn der, der in Petrus zum Apostelamt für die Beschnittenen wirksam war, war auch in mir für die Nationen wirksam -, und als sie die Gnade erkanntnen, die mir gegeben worden ist,

Gal 2,10

Nur sollten wir der Armen gedenken, was zu tun ich mich auch befleissigt habe.

Endziel: Liebe

So verschieden dieses wahre Evangelium auch daherkommen mag, so einmalig ist doch seine Wirkung. Jesus Christus offenbart sich durch dieses Evangelium dem Menschen und das hat segensreiche Folgen.
Paulus spricht von einer wirksamen Gnade und meint damit sicher Zeichen, Wunder und Bekehrungen. Das erlebt nicht jeder Christ so stark wie Paulus.
Doch eine Wirkung dürfen, ja müssen, wir alle erleben: Liebe (Gal 5,6). Der Heilige Geist wirkt in uns gute Werke der Liebe (Gal 5,22). Das ist ein klares Kennzeichen des wahren Glaubens an Jesus Christus und das Ziel des Glaubens (1 Tim 1,5).

Gal 5,6

Denn in Christus Jesus hat weder Beschneidung noch Unbeschnittensein irgendeine Kraft, sondern der durch Liebe wirksame Glaube.

Gal. 5,22

Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit. Gegen diese ist das Gesetz nicht gerichtet.

1 Tim 1,5

Das Endziel der Weisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben.

Kennzeichen

Schon Jesus Christus sagte zu uns: »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!« Diese Liebe ist das eigentliche Kennzeichen wahrer Christen.

Mt 7,15-20

Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reissende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man etwa von Dornen eine Traube oder von Disteln Feigen? So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, noch ein fauler Baum gute Früchte. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Fürsorge für die Armen

Beim Handschlag der Apostel wird Paulus ermahnt, darauf zu achten, dass er an die Armen denkt. Hier sind sicherlich vor allem die armen Christen von Jerusalem gemeint. Für diese führte Paulus dann ja auch eine Sammlung durch (Röm 5,25-26).
In diese Fürsorge für die Armen dürfen wir aber sicher auch die Waisen und Witwen einschliessen, die Jak 1,27 erwähnt.
Auf jeden Fall soll sich diese göttliche Liebe in konkreten Taten erzeigen und sich nicht in Worten erschöpfen (1 Joh 3,18).

Röm 5,25-26

nun aber reise ich nach Jerusalem im Dienst für die Heiligen. Denn es hat Mazedonien und Achaja wohlgefallen, eine Beisteuer zu leisten für die Bedürftigen unter den Heiligen, die in Jerusalem sind.

Jak 1,27

Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist dieser: Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu besuchen, sich selbst von der Welt unbefleckt zu erhalten.

1 Joh 3,18

Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.

Endzeit

Paulus lehrt uns, dass gegen Ende der Zeiten viele Christen diese verändernde Kraft des Evangeliums leugnen werden (2 Tim 3,1-5). Deshalb ist es wichtig, dass wir in diesem Punkt wachsam sind und daran festhalten, dass die Gnade Gottes letztlich zu Werke der Liebe führt.

2 Tim 3,1-5

Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, unbesonnen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg.




1.3 Ein Evangelium für eine Christenheit

Gal 2,9b

gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen werden, mir und Barnabas den Handschlag der Gemeinschaft,

Einheit

Wir haben nun verschiedene Verpackungen des Evangeliums kennengelernt. Aber es gibt doch nur ein Evangelium und deshalb auch nur eine Christenheit, eine Gemeinde, ein Volk Gottes.

Heraus.
forderung

Der Handschlag der Gemeinschaft war für die Urchristen nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine Herausforderung. Doch sie meisterten diese Herausforderung und pflegten die Einheit in der Vielfalt.
Sie waren sich bewusst, dass es nur einen Leib Christi auf dieser Welt gibt. Und zu diesem gehörten sowohl die Judenchristen wie die Heidenchristen.





Übergang

Diese Einheit in der Vielfalt ist auch für uns heutige Christen eine Herausforderung. Deshalb tun wir gut daran, von den ersten Christen auch in dieser Frage zu lernen.





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PUNKT 2

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2. Der Handschlag der Gemeinschaft: Eine Herausforderung...


2.1 ...für die Judenchristen

wertneutrale Zeremonien

Für die Judenchristen war dieser Handschlag eine Herausforderung, weil sie damit zugaben, dass ihre Traditionen keine Bedeutung für das Heil des Christen hat (Gal 2,15-16). Es war die Herausforderung, ihre Zeremonien als sogenannte "Mitteldinge" zu betrachten, also als wertneutral.

Gal 2,15-16

Wir sind von Natur Juden und nicht Sünder aus den Nationen, aber da wir wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Christus Jesus, haben wir auch an Christus Jesus geglaubt, damit wir aus Glauben an Christus gerechtfertigt werden und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt wird.

nützlich für Mission

Diese Traditionen schadeten nichts und nützten nichts. Und doch waren sie speziell in Jerusalem durchaus nützlich. Die jüdischen Zeremonien bildeten prägten nämlich die Kultur Jerusalems und in dieser Kultur wollten die Christen ja ihre Mitmenschen erreichen. Deshalb passten sie sich äusserlich an, um das Evangelium sozusagen "jüdisch verpackt" ohne grosse Hindernisse verkündigen zu können (1 Kor 9,19-23).

1 Kor 9,19-23

Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich immer mehr gewinne. Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne; denen, die unter Gesetz sind, wie einer unter Gesetz - obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin -, damit ich die, welche unter Gesetz sind, gewinne; denen, die ohne Gesetz sind, wie einer ohne Gesetz - obwohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern unter dem Gesetz Christi -, damit ich die, welche ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige errette.
Ich tue aber alles um des Evangeliums willen, um an ihm Anteil zu bekommen.

revolutionäre Botschaft erregte Widerstand

Das alles klingt für uns vielleicht selbstverständlich, doch einem traditionellen Juden mochten die Ohren gellen, wenn er so etwas hörte. Deshalb erlebte Paulus auch so enormen Widerstand in Jerusalem (Apg 21,21), welcher allerdings auf einer Verleumdung seiner Lehre zurückzuführen ist. Paulus selber bezeichnet diesen Widerstand als das Kreuz Christi (Gal 6,12).

Apg 21,21

Es ist ihnen aber über dich berichtet worden, dass du alle Juden, die unter den Nationen sind, Abfall von Mose lehrest und sagest, sie sollen weder die Kinder beschneiden noch nach den Gebräuchen wandeln.

Gal 6,12

So viele im Fleisch gut angesehen sein wollen, die nötigen euch, beschnitten zu werden, nur damit sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden.

christliche Pharisäer

Es gab durchaus auch jüdische Christen, die den Traditionen mehr Bedeutung beigemessen haben, als es recht war. Sie kreierten sozusagen ein neues Evangelium, eine jüdisch-christliche Sekte. Ihr Glaube bestand aus dem "Evangelium Plus" (Evangelium plus jüdische Tradition). Und genau dieses "Plus" (eine Form von Werkgerechtigkeit5) bewirkte, dass sie aus der Gnade fielen (Gal 5,5) und zu Pharisäern ihrer Tage wurden, denen selbst ein Petrus einmal in Antiochien auf den Leim ging (Gal 2,11-13). Paulus nennt diese christlichen Pharisäer »heimlich eingedrungene falsche Brüder« (Gal 2,3-5).

Gal 2,11-13

Als aber Kephas nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, weil er durch sein Verhalten verurteilt war. Denn bevor einige von Jakobus kamen, hatte er mit denen aus den Nationen gegessen; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, da er sich vor denen aus der Beschneidung fürchtete.

Gal 2,3-5

Aber nicht einmal Titus, der bei mir war, wurde, obwohl er ein Grieche ist, gezwungen, sich beschneiden zu lassen; und zwar wegen der heimlich eingedrungenen falschen Brüder, die sich eingeschlichen hatten, um unsere Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, zu belauern, damit sie uns in Knechtschaft brächten. Denen haben wir auch nicht eine Stunde durch Unterwürfigkeit nachgegeben, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch verbliebe.

Gal 5,4

Ihr seid von Christus abgetrennt, die ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen.

Stellung von Traditionen

Unser Glaube darf Traditionen beinhalten. Diese dürfen aber nie so wichtig werden, dass wir meinen, sie würden uns helfen in den Himmel zu kommen. Sie dürfen auch nie so wichtig werden, dass wir sie anderen überstülpen wollen.




2.2 ...für die Heidenchristen

Rücksicht, Vorsicht

Für die Heidenchristen bestand die Herausforderung einerseits in der Rücksichtnahme auf ihre jüdischen Mitchristen. Andererseits durften sie sich ihre Freiheit nicht durch christliche Pharisäer nehmen lassen.

Paulus' Mittelweg

Wie schmal dieser Mittelweg ist, zeigt uns wohl das Beispiel des Paulus'. Einerseits liess er den Griechen Titus nicht beschneiden, wie das christliche Pharisäer von Jerusalem gefordert hatten (Gal 2,3-5) und scheute sich nicht, ihnen ein Ärgernis zu sein. Andererseits beschnitt er den Halbjuden Timotheus, um den ungläubigen Juden von Timotheus' Heimat kein Ärgernis zu bereiten (Apg 16,1-3).

Apg 16,1-3

Er gelangte aber nach Derbe und Lystra. Und siehe, dort war ein Jünger mit Namen Timotheus, der Sohn einer jüdischen gläubigen Frau, aber eines griechischen Vaters; er hatte ein gutes Zeugnis von den Brüdern in Lystra und Ikonium. Paulus wollte, dass dieser mit ihm ausziehe, und er nahm und beschnitt ihn um der Juden willen, die in jenen Orten waren; denn sie kannten alle seinen Vater, dass er ein Grieche war.

Gal 2,3-5

Aber nicht einmal Titus, der bei mir war, wurde, obwohl er ein Grieche ist, gezwungen, sich beschneiden zu lassen; und zwar wegen der heimlich eingedrungenen falschen Brüder, die sich eingeschlichen hatten, um unsere Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, zu belauern, damit sie uns in Knechtschaft brächten. Denen haben wir auch nicht eine Stunde durch Unterwürfigkeit nachgegeben, damit die Wahrheit des Evangeliums bei euch verbliebe.

Calvin:
Verzicht für Schwache,
Widerstand gegen Pharisäer

»Allgemein spricht man in irgendeiner Angelegenheit von einem "gegebenen" Ärgernis, wenn die Schuld für den Anstoss bei dem Urheber der Tat selber liegt.
Vom Ärgernis nehmen redet man da, wo eine sonst nicht unrecht oder unzeitig geschehene Tat durch Übelwollen und eine Art widerwärtiger Bosheit zum Anlass genommen wird, Anstoss zu nehmen. Da ist nämlich gar kein Ärgernis gegeben, sondern solche Leute legen die Sache übel aus und nehmen Ärgernis ohne Ursache.
Von dem Ärgernis der ersten Art werden nur die Schwachen gekränkt, von dem der zweiten Art dagegen griesgrämige Geister und Menschen mit pharisäischem Stolz!
Deshalb wollen wir das erste als "Ärgernis der Schwachen", das zweite als "Ärgernis der Pharisäer" bezeichnen.
Die Betätigung unserer Freiheit können wir danach in der Weise unter ein Mass stellen, dass wir auf die Unkundigkeit unserer schwachen Brüder Rücksicht nehmen sollen, dagegen auf die Härte der Pharisäer unter keinen Umständen! ...
Aber die Sache bleibt doch im Ungewissen hängen, wenn wir nicht sicher wissen, wen wir denn für schwach und wen wir für einen Pharisäer halten sollen. Denn dieser Unterschied darf nicht aufgehoben werden, sonst weiss ich nicht, was wir unter lauter Anstössen überhaupt noch für einen Gebrauch von unserer Freiheit machen sollen; es könnte ja sonst dabei nie ohne höchste Gefahr abgehen!
Mir scheint aber Paulus in Unterweisung und eigenem Vorbild mit höchster Klarheit dargelegt zu haben, inwiefern wir in unserer Freiheit masshalten müssen und inwiefern wir sie auch unter Anstössen handhaben sollen.
Er hat den Timotheus, als er ihn zum Gefährten annahm, beschnitten (Apg.16,3). Dagegen liess er sich nicht dazu bringen, den Titus zu beschneiden! (Gal.2,3). Das sind zwei völlig verschiedene Verhaltensweisen - und dabei fand doch gar keine Änderung seiner Absicht oder seiner Gesinnung statt!
Wenn er den Timotheus beschnitt, so verfuhr er nach seinem Wort: "Wiewohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf dass ich ihrer viele gewinne. Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf dass ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich geworden wie unter dem Gesetz, auf dass ich die, so unter dem Gesetz sind, gewinne!" (1.Kor.9,19.20). "Ich bin jedermann allerlei geworden, auf dass ich allenthalben ja etliche selig mache!" (1.Kor.9,22). Da haben wir das rechte Masshalten in der Freiheit vor uns: es geschieht, wenn man sich ihrer in einer gleichgültigen Sache enthalten kann und wenn das irgendwelche Frucht trägt!
Was Paulus dagegen im Sinne hatte, als er sich so standhaft weigerte, den Titus zu beschneiden, das bezeugt er selbst: ... Gal.2,3-5). Da haben wir einen Fall vor uns, in dem es notwendig war, die Freiheit zu behaupten: dieser liegt dann vor, wenn die Freiheit durch unbillige Forderungen falscher Apostel in den Gewissen gefährdet ist.«6




2.3 ...für heutige Christen

Handschlag oder Hammer-
schlag?

Wir stehen nicht mehr so stark in diesem Spannungsfeld "Judenchristentum - Heidenchristentum". Wir haben heute im Vergleich dazu eher kleinere Spannungen7, deren Folgen allerdings nicht viel harmloser sind. Statt den "Handschlag zur Gemeinschaft" gaben sich Christen oft leider nur den "Hammerschlag mit der Bibel".

Kirchen-
geschichte: Reformatoren

Könnten wir vielleicht etwas von den Fehlern unserer Reformatoren lernen?
Sie liessen Menschen, die sie Wiedertäufer nannten, hinrichten; im wesentlichen nur darum, weil sie eine andere Auffassung der christlichen Taufe hatten.
Paulus aber achtete die falsche Tauflehre mancher Christen in Korinth, die sich für die Toten taufen liessen (1 Kor 15,29), nicht wert, auch nur einen Abschnitt im 1. Korinther-Brief hierfür zu verwenden.
Könnte es sein, dass wir Christen im Abendland manchmal etwas gar verbissen reagieren und debattieren, während eine wichtigere Sache, nämlich die christliche Bruderliebe, darunter leidet?

1 Kor 15,29

Was werden sonst die tun, die sich für Toten taufen lassen? Wenn überhaupt Tote nicht auferweckt werden, warum lassen sie sich denn für sie taufen?

kleine Spannungs-
felder

Im folgenden versuche ich, einige gegensätzliche Meinungen zu nennen. Ich überzeichne sie ein wenig:

  • Der eine reitet auf der neusten geistlichen Welle, während der andere an seinem Vorbild der Kirchengeschichte festhält.

  • Die einen erheben die Hände während der Anbetung, andere schwingen Fahnen und wieder andere halten nichts davon oder sehen darin sogar bereits eine Vorstufe zum Schwärmertum.

  • Die einen bezeichnen es als besondere Heimsuchung Gottes, wenn Menschen beim öffentlichen Gebet zu Boden fallen, andere warnen davor.

  • Die einen beten begeistert öffentlich in fremden Zungen, andere kümmern sich nicht um diese Gabe und vermissen sie auch nicht.

  • Die einen stehen vorbehaltslos hinter dem Staat Israel, während andere sich mit dem Verhalten dessen Regierung schwer tun.

Alle diese Fragen und Spannungen sind sicher berechtigt und ernst zu nehmen. Aber sind sie wirklich so wichtig, dass wir wegen ihnen die Einheit der Christen zerstören und andere verachten und richten dürfen?

Röm 14-15

Von dem Umgang mit problematischen Fragen der ersten Christen können wir etwas lernen. Paulus gibt uns in Röm 14-15 ein paar Tips.

gegenseitige Aufnahme

Wir sollen einander als Glaubensgeschwister nicht nur annehmen, sondern aufnehmen. Diese Aufnahme sollen wir nicht durch Streitgespräche über schwierige und zweifelhaften Fragen in Frage stellen. Vielmehr sollen wir liebevolle Beziehungen pflegen.

Röm 14,1

Den Schwachen im Glauben aber nehmt auf, doch nicht zur Entscheidung zweifelhafter Fragen.

weder verachten noch richten

Wir sollen einander weder verachten noch richten (Röm 14,3), nur weil wir unsere Frömmigkeit verschieden ausleben. Sowohl verachten als auch richten sind lieblose Reaktionen auf die Andersartigkeit meines Bruders. In Sachen Kritik dürfen und müssen wir uns selbst der Nächste sein (Mt 7,3-5)!

Mt 7,3-5

Was aber siehst du den Splitter, der in deines Bruders Auge ist, den Balken aber in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: Erlaube, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und siehe, der Balken ist in deinem Auge? Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus deines Bruders Auge zu ziehen.

Röm 14,3

Wer isst, verachte den nicht, der nicht iss; und wer nicht isst, richte den nicht, der isst; denn Gott hat ihn aufgenommen.

Traue dem Gott deines Bruders

Du darfst dem Gott deines Bruders, dem Herrn Jesus Christus, durchaus etwas zutrauen. Dein Bruder steht und fällt seinem Herrn. Der Herr seinerseits kann deinen Bruder aufrecht halten (Röm 14,4). Der Herr offenbart sich auch deinem Bruder (Phil 3,15b).

Röm 14,4

Wer bist du, der du den Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt dem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr kann ihn aufrecht halten.

Phil 3,15b

Und wenn ihr in irgend etwas anders denkt, so wird euch Gott auch dies offenbaren.

Rücksicht-
nahme

Wir sollen aufeinander Rücksicht nehmen und unseren Glaubensgeschwistern kein unnötiges Ärgernis geben (Röm 14,13). Wir sollen einander zum Segen werden (Röm 14,19), statt uns selber zu gefallen (Röm 15,1).

Röm 14,13

Lasst uns nun nicht mehr einander richten, sondern richtet vielmehr darüber, dass dem Bruder kein Anstoss oder Ärgernis gegeben wird.

Röm 14,19

So lasst uns nun dem nachstreben, was des Friedens ist, und dem, was zur gegenseitigen Erbauung dient.

Röm 15,1

Wir aber, die Starken, sind verpflichtet, die Schwachheiten der Kraftlosen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen.

Vorbild Jesus

Wir sollen uns an Jesus Christus selber ein Vorbild nehmen. Er gefiel sich nicht selber, sondern dem Nächsten und vor allem Gott selber.

Röm 15,2-3

Jeder von uns gefalle dem Nächsten zum Guten, zur Erbauung. Denn auch der Christus hat nicht sich selbst gefallen, sondern wie geschrieben steht: »Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.«





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SCHLUSS

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Zielaussage

Die Vielfalt von christlichen Denominationen verhindert nicht unsere Einheit, aber fordert uns heraus. Diese Vielfalt kann ein Segen sein. Wir müssen die Stärken unserer Vielfalt erkennen und uns nicht als Konkurrenten, sondern als Ergänzung wahrnehmen.



1»Es ist grossartig, wenn man sein Leben als Christ beginnt, indem man an gute und solide biblische Lehren glaubt. Manche Menschen haben in zwanzig Jahren zwanzig verschiedene Arten von "Evangelium" empfangen, und es ist nicht vorauszusagen, wie viele sie noch glauben werden, bevor sie an das Ende ihrer Reise kommen.
Ich danke Gott, dass er mich früh das eine Evangelium gelehrt hat, mit dem ich vollständig zufrieden bin, dass ich nichts anderes kennenlernen will. Beständiger Wechsel des Glaubensbekenntnisses bedeutet nur Verluste. Wenn Menschen permament ihre Bekenntnisse wechseln, wird wahrscheinlich keine gute Frucht zur Ehre Gottes dabei herausspringen. Das ist wie wenn ein Baum zwei- bis dreimal im Jahr von seinem Platz versetzt wird. Dann brauchst du keinen grossen Speicher bauen, um die Äpfel lagern zu können.«
(Spurgeon, Über den Calvinismus - Ein persönliches Plädoyer,
http://www.spurgeon.glaubensstimme.de/Calvinismus/417.htm)

2Eph 4,14: Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum.

3Das vernehmen wir von Paulus.
1 Kor 10,27-29: Wenn jemand von den Ungläubigen euch einladet, und ihr wollt hingehen, so esst alles, was euch vorgesetzt wird, ohne es um des Gewissens willen zu untersuchen. Wenn aber jemand zu euch sagt: Dies ist Opferfleisch, so esst nicht, um jenes willen, der es anzeigt, und um des Gewissens willen; ich meine aber nicht das eigene Gewissen, sondern das des anderen. Denn warum wird meine Freiheit von einem anderen Gewissen beurteilt?

4An diese Regelung halten wir uns nicht mehr, da sich die Zeiten geändert haben und das Gebot der Liebe normalerweise nicht verletzt wird, wenn wir von "Ersticktem" essen:
»Aber damit unsere Widersacher nicht darum herumkommen, mit ihrem eigenen Zugeständnis diese Lösung zu bekräftigen, so sollen sie mir doch antworten, mit welchem Recht sie eben jenen Beschluss abzuschaffen gewagt haben! Sie haben es doch deshalb getan, weil von jenen Ärgernissen und Entzweiungen, denen die Apostel hatten begegnen wollen, weiter keine Gefahr mehr drohte, und weil sie wussten, dass ein Gesetz nach seiner Absicht beurteilt werden muss. Da also dies Gesetz mit Rücksicht auf die Liebe erlassen worden ist, so wird in ihm nur soviel geboten, wie die Liebe erfordert. Wenn sie nun zugeben, dass es keine andere Übertretung dieses Gesetzes gibt als die Verletzung der Liebe, weshalb erkennen sie dann nicht zugleich an, dass es eben nicht ein selbstersonnener Zusatz zu Gottes Gesetz ist, sondern vielmehr eine saubere und einfache Anwendung desselben auf die Zeiten und Sitten, für die es bestimmt war?«
(Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, Buch 4, 10,22, S. 819-820)

5Jeder Glaube, der sich nicht ausschliesslich (Gal 2,16) auf das Erlösungswerk von Jesus Christus verlässt, ist eine Form von Werkgerechtigkeit und trennt uns von Christus!

6Johannes Calvin, Institutio Christianae Religionis, Buch 3, 19,11-12, S. 559-560

7Beachten wir doch, dass das Spannungsfeld "Judenchristentum - Heidenchristentum" auch theologische Dimensionen hat!